Interview mit Skarntyde (Januar 2023)

SKARNTYDE, eine Band, die frühere norwegische Zeiten roh und unpoliert mit norwegischen Texten in ihrer Musik widerspiegelt. Da denkt man gar nicht daran, dass dieses Duo aus Deutschland kommt. Wir haben die Beiden mal gefragt, wie sie ihre Visionen von den bayerischen Bergen in die norwegischen versetzen.


Noktum: 
Seid gegrüßt, danke, dass ihr Zeit gefunden habt, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Fjelleiner: 
Gerne, ich lasse mich überraschen.
Gerileme: 
Vielen Dank dir, Noktum, für deine Interviewanfrage!
Noktum: 
Ihr beide seid ja schon lange in der Black-Metal-Szene aktiv. Fjelleiner mit seinem Projekt „Licht- und Schattenseiten“ und Gerileme bei Idisenfluch (ab 2017 dann Kryptah). 2019 dann wurde Skarntyde von euch beiden gegründet. Was hat euch dazu bewegt und wie seid ihr zueinander gekommen?
Gerileme: 
Wir waren bereits ein paar Jahre gut befreundet, bevor wir Skarntyde gegründet haben. Kennengelernt haben wir uns ganz klassisch im Internet. Wir teilten ohnehin viele gemeinsame Ansichten und Einstellungen – vom Antinatalismus über den Veganismus bis hin zum Antitheismus. Da lag es nah, gemeinsam einer Sache nachzugehen, die uns beiden überaus wichtig ist und der wir sehr viel Zeit widmen: dem Black Metal.
Noktum: 
Mit Skarntyde geht ihr andere Wege als mit dem, was man bisher von euren Projekten kennt. So hört man in eurer Musik Bezüge auf eine doch weltbekannte norwegische Truppe aus ihren früheren Tagen und eure Songtexte sind auf Norwegisch. Habt ihr einen bestimmten Bezug zu Norwegen oder soll das eher als Huldigung gelten an diese Zeit?
Fjelleiner: 
Als Huldigung würde ich es nicht sehen. Die meisten Bands machen ihre Texte auf Englisch, auch wenn das nicht ihre Muttersprache ist. Mein Englisch ist nicht gut und in meinen anderen Projekten schreibe ich die Texte auf Deutsch. Norwegen war für mich bereits als Kind ein ganz besonderer Ort, den ich aus Märchen, aber auch aus Berichten meines familiären Umfelds kannte. Als ich irgendwann selbst das skandinavische Land bereiste, bestätigte sich all das, was ich zuvor nur erahnen konnte: wilde Natur, Kargheit, Seen, Bäche, Wälder, Berge, Gletscher u.s.w., das war für mich so besonders und überwältigend, dass ich kurzerhand beschloss, die Sprache zu lernen.
Gerileme: 
Meine Bezüge zu Norwegen beschränken sich komplett auf die Musik. Außer ein paar Worten Norwegisch bin ich der Sprache (leider) nicht mächtig. Ehrlich gesagt bin ich schon froh darüber, wenn ich unsere Songtitel einigermaßen korrekt ausspreche.
Skarntyde
Noktum: 
Euer Bandname Skarntyde, Norwegisch für „Gefleckter Schierling“, bezieht sich auf eine Pflanze, mit der man so einiges anrichten kann. Beschäftigt ihr euch demnach mit einer naturverbundenen Thematik und ihren daraus folgenden Ereignissen?
Gerileme: 
Ja, wir behandeln mit unserer Musik naturbezogene Themen – aber nicht aus derselben Perspektive wie die meisten anderen Bands. Wir sind sogar weit weg davon, die Natur blind nach Bilderbuchschwärmerei zu romantisieren. Im Gegenteil, mit unserer neuen EP „Da jeg gråt ved jordens ruiner“ zeigen wir nüchtern und ungeschönt auf, wie es wirklich um die Natur bestellt ist. Und es sieht echt nicht gut aus. Dieser Standpunkt basiert jedoch nicht etwa auf Endzeitromantik oder gar Hysterie, sondern auf wissenschaftlichen Daten und Beobachtungen. Unsere Kritik gilt all jenen, die eine Nach-mir-die-Sintflut-Attitüde an den Tag legen. Zwar ist diese Kritik allgemein zu verstehen, allerdings gibt es leider gerade im Black Metal sehr viele Individuen, die einerseits feuchte Augen beim Betrachten eines unberührten Fjords kriegen, andererseits aber ihre Zigarettenkippen wie selbstverständlich in die Botanik schnippen oder sich auf jedem Konzert die billigsten Bratwürste reinziehen. Versteh mich nicht falsch, es geht hier nicht um unrealistischen Perfektionismus, der im Gedankenspiel zwangsläufig im Selbstmord endet. Es geht darum, Dinge zu vermeiden, die nicht notwendig sind und somit unnötigerweise der Mitwelt schaden. Zu diesem Punkt könnte ich noch einen ganzen Roman schreiben, aber ich denke, ich habe unsere Haltung klargemacht. Wenn man so möchte, ist der Gefleckte Schierling (Skarntyde) für den Menschen das, was der Mensch für alle Lebewesen ist: pures Gift.
Noktum: 
Black Metal ist in allen seinen Facetten eine Kunstform der Musik, in der man wie in keinem anderen Genre seine Inspirationen, seine Gedanken, seine tiefsten Abgründe widerspiegelt und verarbeitet. Welche Gedankengänge und Inspirationen spielen bei euch eine große Rolle, sodass sie sich in euren Songs wiederfinden?
Fjelleiner: 
Gerilemes und meine Einschätzung der globalen Lage sind ähnlich katastrophal und bilden im Prinzip die Grundlage für die ausgewählten Thematiken, die wir bei Skarntyde behandeln. Ähnliche Themen werden bei mir teilweise seit bald zwei Jahrzehnten auch in anderen meiner Projekte (insbesondere bei Jahresringe) behandelt.
Gerileme: 
Ich versuche, eine klare thematische (und musikalische) Trennlinie zwischen meinen verschiedenen Projekten zu ziehen. Mit Skarntyde haben wir für die bisherigen drei Veröffentlichungen immer direkt oder indirekt Kritik am menschlichen Verhalten/Versagen geübt. Die Inspiration dafür kommt aus dem Alltag. Eigentlich ist es fast schon egal, wo man hinsieht: Das nächste ökologische oder soziale Problem ist keinen Steinwurf entfernt. Um das zu verarbeiten, gibt der Black Metal für mich die idealen Rahmenbedingungen her.
Noktum:
Nach eurer Demo „Spurvehauk“ 2019 und dem ersten Album „Flukt fra menneskeligheten“ 2021, das ihr in Eigenregie veröffentlicht habt, seid ihr bei Thor Joakimsson (Trollmusic) und Schattenpfade gelandet und habt 2022 dann die EP „Da jeg gråt ved jordens ruiner“ darüber veröffentlicht, die mir im übrigen sehr gut gefällt. Wie kam es zu dem Kontakt mit den beiden?
Fjelleiner: 
Mit Adam (Schattenpfade) bestand bereits seit einigen Jahren ein freundschaftlicher Kontakt und der gemeinsame Wunsch, zusammen eine Skarntyde-Veröffentlichung zu machen. Der Kontakt zu Thor ergab sich im Rahmen der Veröffentlichung unseres Debüt-Albums, als er ein Review über „Flukt fra menneskeligheten“ schrieb, dem sich ein überaus umfangreiches Interview für sein Magazin Mørkeskye anschloss.
Gerileme: 
Das möchte ich noch ergänzen, denn ganz so stimmt das nicht. Die Demo „Spurvehauk“ haben wir zwar erst auf Bandcamp veröffentlicht, doch die Veröffentlichung auf Kassette über Narbentage hat nicht lange auf sich warten lassen. Und das Debütalbum „Flukt fra menneskeligheten“ ist zeitgleich mit dem Release auf Bandcamp auch über Human Noise Records auf CD erschienen. Dass wir Adam und Thor als kompetente, vielgeschätzte Partner für das Realisieren des CD-Releases unserer EP dazugewinnen konnten, ist für uns eine Bereicherung.
Noktum: 
Nun sind wir im Jahr 2023 angekommen. Was ist bei euch in diesem Jahr geplant, kann man da musiktechnisch etwas Neues erwarten, vielleicht ein neues Album, und wie seht ihr euch in der Zukunft mit Skarntyde aufgestellt? Wird es sogar Live-Auftritte geben oder beschränkt ihr euch weiterhin als reines Studioprojekt?
Gerileme: 
Für das Jahr 2023 ist nichts Konkretes geplant. Vielleicht wird die schon seit längerem vergriffene Demo „Spurvehauk“ neu aufgelegt, aber das steht noch in den Sternen. Auf einen Auftritt wird man jedoch vergeblich warten. Skarntyde ist nicht für die Bühne bestimmt. Dessen ungeachtet erscheint es doch irgendwie paradox, absurd und schizophren, wenn eine Band mit misanthropischen Inhalten auf der Bühne steht und mitunter genau die Leute bespaßt, denen die Kritik gilt – oder nicht?
Fjelleiner: 
Über Skarntyde hinaus gibt es ja weitere Projekte von uns, für die man sich interessieren kann und bei denen es mehr oder weniger aktuelle Veröffentlichungen gibt oder eventuell auch eine Veröffentlichung ansteht.
Noktum: 
Dann danke ich euch für die mir gewidmete Zeit.
Fjelleiner: 
Ebenfalls, vielen Dank auch für die unterschiedlichen Fragen!
Gerileme: 
Besten Dank für deine Fragen! Ich hoffe, dass der ein oder andere Leser etwas für sich mitnehmen kann.

Links und Kontakt:

Bandcamp

SKARNTYDE – Da jeg gråt ved jordens ruiner (2022)
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Author: Noktum
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