“Farsot” steht seit jeher für qualitativ hochwertigen Black Metal, der sowohl musikalisch als auch textlich nicht besonders zugänglich ist. Nach und nach entfaltet aber jedes einzelne Album eine unglaubliche Dichte, aus der es keinen Weg mehr hinaus gibt, wenn man sich nur einmal tief genug hinein gewagt hat. Nehmen wir also unsere Gedanken und allen Mut zusammen und gehen auf die Wand “Farsot” zu.



Viator:
Die erste Demo "Im Zwielicht meines glanzlos` Lebens" ist nur im Erscheinungsjahr 2001 auf Tape mit einer 60er Limitierung erschienen. Warum ist dieses Album auf normalen Wegen nicht mehr im Internet auffindbar? Steht ihr selbst nicht mehr hinter diesem Release? Was sind hierfür die Gründe? Wird es noch einmal die Möglichkeit geben, diese Demo zu hören zu bekommen?
X.XIX:
Bei der Veröffentlichung handelte es sich mehr oder weniger um ein Promo-
Tape, welches nicht wirklich als ein offizielles Demo zu betrachten ist. Wir nutzten es vorrangig dafür, bei Konzerten etwas in der Hand zu haben. Es beinhaltet ein paar der ersten ernstzunehmenden Songs und wurde mit einem Kassettenrecorder ganz „Old School“ live im Proberaum mitgeschnitten. Soweit ich mich erinnere, wurde der größte Teil allerdings im Freundes- und Bekanntenkreis verteilt. Wir haben nie mehr Tapes davon gemacht, da wir, bis auf eine dezent andere Version von „Der Flamme Tod“, welches es dann auch auf die Demo schaffte, recht schnell nicht mehr allzu überzeugt von den Liedern und der Aufnahme an sich waren. Freilich ist es irgendwie Teil der
Bandgeschichte, aber in punkto Veröffentlichungen war dieses Tape nicht wirklich relevant und wird auch nie wiederveröffentlicht werden. Ich vermute, dass es aufgrund der Limitierung so gut wie nicht auffindbar ist.
Viator:
Es ist allgemeinhin bekannt, dass ihr vor allem durch die Freitod Demo verstärkt wahrgenommen wurdet und diese auch heute noch sehr gern gehört wird. Was sind eurer Meinung die Gründe hierfür? Musikalisch fällt mir zumindest das Release am wenigsten aus eurer Diskographie ins Auge. Habt ihr zu der Zeit in Deutschland in eine Kerbe geschlagen, die zu wenig bedient wurde? War es die Authentizität, die ihr von Anfang an verkörpert?
X.XIX:
Zur Zeit dieser Veröffentlichung gab es zumindest in deutschen Gefilden noch
nicht allzu viele Bands, die ähnlich vorgingen. Damals wie heute war uns die
musikalische Nähe zum Blackmetal der 90er als Fundament wichtig. Jedoch sind wir im Verlauf der Jahre immer mehr aus dem Korsett Blackmetal entwachsen und
erschufen unsere Eigeninterpretation, wie für uns extreme Musik klingen kann oder sollte. Dabei scheuen wir keine Sprünge über den Tellerrand. Das ist vermutlich die Authentizität, die du ansprichst. Wir haben uns nie an irgendwelchen Trends oder Blackmetal-Templates orientiert. Wir machen immer das, was aus uns raussprudelt.
Ich glaube, gerade die Mischung aus ursprünglichem Blackmetal, der dezenten
Progressivität und den deutschen Texten hat einige Hörer und Magazine damals
aufhorchen lassen. Ob wir nun eine Kerbe geschlagen haben, oder einfach Teil einer aufkeimenden Bewegung in Deutschland waren, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ich denke, wir waren mit „042103freitod“ irgendwie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nach wie vor sind wir sehr dankbar, dass die Demo so positiv aufgenommen wurde. Damit hatten wir damals nicht gerechnet.
Viator:
Das Album "IIII" unterteilte sich in verschiedene Kapitel, die sich mit kleinen Interludes gegenseitig einläuten. Welcher Prozess wird dem Hörer hier näher gebracht?
X.XIX:
Textlich wird hier der Prozess der Gefühlswelt nach dem Verlust einer
nahestehenden Person begleitet. Den Tod als kaltes, bloßes Ende wahrzunehmen,
ohne jegliche Emotion zulassen zu können ist eine Begleiterscheinung des Verlustes. Man versucht vorerst andere Gefühle von sich fernzuhalten, um die Tatsache zu akzeptieren. Jedoch sind die Emotionen meist stärker als die der Versuch der Selbstkontrolle. Nach dem Tod einer nahestehenden Person spielt z.B. der Hass eine recht zentrale Rolle. Die Frage nach dem „warum“ beschäftigt viele der Hinterlassenen. Eine Todesfolge durch äußere oder ungeklärte Umstände oder eben das schiere „nicht akzeptieren wollen“, kann in diesen emotionalen Abgrund treiben. Weiterhin finden sich die Gefühle Angst - die Angst vor dem eigenen Tod - und Trauer in unserem Konzept wieder. Für diesen Zustand braucht es keine allzu große Erläuterung, denn fast jede*r wird in Konfrontation mit dem Tod einer nahestehenden(o.ä.) Person, irgendwann und irgendwie in Trauer enden. So die kurz abgerissene
Version unserer Interpretation nach dem Durchleben eigener Verluste.


Viator:
Eure Texte haben sich ab dem Album "Insects" ein wenig verändert. Die Anfänge
waren noch sehr von Verlust, innerem Schmerz und Trauer geprägt. Die späteren
Werke bedienen sich mehr philosophischen Fragen rund um den Menschen und
sein Verhalten auf dieser Welt. Warum waren für euch die früheren Thematiken
nicht mehr relevant?
X.XIX:
Wie auf musikalischer Ebene lassen wir uns bezüglich der Lyrics einfach treiben. Mal sind es Erfahrungen oder Denkprozesse, mal hört man Songfragmente im Proberaum und hat direkt thematische Assoziationen. Bei „Insects“ war es unter anderem der Sound und die Atmosphäre, die das Thema einleiteten. Songs wie „Empyrean“ oder „The Vermilion Trail“ beschreiben im Prinzip imaginäre Bilder in meinem Kopf beim Hören der Songs. Beim Schauen einer Pseudo-Dokumentation namens „The Hellstrom Chronicles“ war das Konzept rundum die Insekten quasi besiegelt. Bei „Fail.Lure“ war es ein Film, der mich einfach dazu bewegte, daraus ein Albumkonzept stricken zu müssen. Es war einfach da. Es musste sein. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber auf dem nächsten Album geht es wieder mehr um die Psyche und menschliche Verirrungen. Wie du bemerkst, auch textlich folgen wir keinem Masterplan. Auch hier passiert alles sehr intuitiv.
Viator:
Ich habe schon aus vorherigen Interviews rauslesen können, dass ihr
Perfektionisten seid, was das Schreiben von neuem Material angeht. War dies zu Demozeiten auch der Fall? Gehen die Songs mittlerweile schwerer von der Hand? Haben sich wirklich nur die Ansprüche verändert und sind diese Veränderungen eine Frage des Alters oder waren es Anfang der 2000er einfach "andere Zeiten"?
X.XIX:
Nein, wir hegen bereits seit der Demo diese Ansprüche. Wobei ich behaupten
will, dass vermutlich jede Band einen gewissen Perfektionismus hegt. Dieser äußert sich nur unterschiedlich bzw. liegen die Prioritäten woanders. Wir arbeiten an einer Veröffentlichung, bis wir denken, dass wir ins Studio können. Bis dahin sind alle Songs fast exakt so, wie wir sie über die vergangenen Monate und Jahre für uns perfektioniert haben. Es ändern sich meist nur noch Nuancen. Die Songs auf der Demowaren z.T. auch bereits ein paar Jahre alt und haben sich immer wieder verändert. Wir
haben uns noch nie sonderlich beeilt oder unter Druck gesetzt (gefühlt), Songs schreiben zu müssen. Warum auch? Das ist vermutlich ein Problem, warum einige Bands so viele Besetzungswechsel haben. Viele denken, sie müssen immer Vollgas geben, damit sie alle 2 Jahre ein „halbgutes“ Album raushauen und sich auf den Bühnen jeder kleinen Vorstadt den Arsch abspielen können. Hier macht es dann bekanntlich die Masse. Das ist auch ok, wenn es so funktioniert, aber hierin unterscheiden sich unsere Ansprüche dann doch etwas.
Bis auf unseren Lead-Gitarristen, der uns 2019 wieder komplettiert hat, sind wir über 20 Jahre sehr eng miteinander befreundet. Diese Freundschaft ist unser höchstes Gut. Das geht aber nur gut, wenn man sich auch mal Pausen gönnt und die gleichen Ansprüche teilt. Wir gehen es lieber ruhiger an und lassen unsere Kreativität einfach fließen, ohne irgendwas erzwingen zu wollen. Das dauert bei uns eben etwas länger, aber riesige Hallen werden wir in diesem Leben mit unserer unorthodoxen Arbeitsweise ohnehin nicht mehr füllen. Klar, mittlerweile sind wir fast alle Ü40, manche Prioritäten haben sich durch Familie & Co. ohnehin verschoben, aber an unserer Arbeitsweise hat sich nichts drastisch geändert. Wir veröffentlichen in mehr oder weniger großzügigen Abständen Alben, die wir persönlich als „perfekt“
empfinden. Wenn das andere auch so sehen, ist das das größte Geschenk, wenn wir dann 1-2 Handvoll Gigs spielen, um ein Album zu promoten, ist das unbezahlbar. Dann wissen wir, warum wir tun was wir tun, ohne auch nur eine Minute hinterfragen zu müssen, ob das alles richtig so ist.
Viator:
Im Musikvideo von "The Antagonist" sind mir verstärkt die Masken aufgefallen. Aufdem letzten Album geht es ebenfalls auch vermehrt um die "Masken", die sich jeder Mensch in verschiedenen Lebenssituationen überstreift, um dem Umfeld gerecht zu werden. Ist Farsot und der Black Metal hierbei ebenfalls eine weitere Maske von euch oder erleben wir hier eure "wahren" Persönlichkeiten?
X.XIX:
Farsot ist keine weitere Maskerade, sondern vielmehr unser Ventil, angestaute Kreativität und Gefühle ungehindert aber dosiert herauslassen zu können. Black Metal ist eine komplexe Terminologie. Es leben sicherlich nicht viele Musiker der Szene Black Metal wirklich. Was wir leben und was uns antreibt ist die Musik und die dunkle Energie, die von dieser Strömung ausgehen und die Band, die uns nunmehr seit einem halben Leben stets begleitet. Unsere wahren Persönlichkeiten stecken zu 100% in
Farsot. Sei es musikalisch oder lyrisch. Wir hegen den bereits von dir erwähnten Anspruch auf Authentizität. Die Masken-Thematik war Teil des lyrischen Konzeptes auf „Fail.Lure“ und ist mit dem Album auch abgeschlossen. Wir haben vor langer Zeit in einem Mörkeskye-Interview mal behauptet, das Black Metal Theater sei und kein Fasching. Von unserer Seite betrachtet, ist es eine dunkle Form der Kunst und eine extreme Art, sich musikalisch auszudrücken. Wie in jeder Kunstform gibt es plakativere Werke oder subtilere Herangehensweisen. Bezugnehmend auf die Musikrichtung Blackmetal bevorzugen wir Letzteres und leben uns in dieser Kunstform auch aus.

Viator:
Ihr schreibt Farsot oft die Rolle zu, dass euch eure Gemeinschaft einen Ausflucht aus der Realität gibt. Das ist keine ungewöhnliche Aussage im Black Metal oder der Musik generell. Ich möchte euch aber gezielt fragen, warum ihr einen Ausflucht aus der Realität benötigt und warum dieser durch Black Metal geschieht? Was macht euch zu schaffen, dass die Flucht mit Farsot nötig ist?
X.XIX:
Ich denke nicht, dass die Aussage so ungewöhnlich ist. Viele Künstler sehen in ihrem Schaffen eine Realitätsflucht bzw. einen Rückzugsort, um Gedanken und Eindrücke, die in bestimmten Lebenssituationen entstehen, festhalten und verarbeiten zu können. Das ist auch unser Streben. Wir versuchen weniger vor der Realität zu fliehen, als sie in unserem Werk zu verarbeiten. Wir sind unser eigenes Echo der Realität. Unser Proberaum oder ein anderer Ort, an dem wir unseren Fokus vollkommen auf die Musik setzen können, ist unser Obdach, welches es ab und an braucht, um die Gedankenwelt sortieren, Energie aufzutanken oder überschüssige Energie freisetzen zu können. Wenn man sich heutzutage kritisch mit der Welt, in der
wir leben auseinandersetzt, wird man recht schnell verstehen, warum jeder Mensch dieser - zumindest für einen Moment - versuchen sollte zu entrinnen, um sich auf sich selbst konzentrieren zu können. Um sich zu erden. Ob man nun meditiert, zeichnet oder musikalisch aktiv ist, ist dabei eher zweitrangig.
Viator:
Mittlerweile sind bereits 4 Jahre seit der "Toteninsel "Split ins Land gegangen. Plant ihr bereits ein neues Werk? Wenn ja, was könnte uns thematisch und musikalisch erwarten?
X.XIX:
Wir sind ab Ende Januar im Studio, um ein neues Album aufzunehmen. Wann
genau es dann erscheinen wird, ist von äußeren Faktoren wie u.a. den Presswerken und Release-Plan abhängig. Wir hoffen sehr auf ein spätes 2023. Wir wollen nicht allzu viel darüber verraten. konzeptionell steht jedoch die menschliche Psyche wieder stärker im Fokus. Musikalisch wird es eine logische Weiterführung von „Fail.Lure“, wenn auch etwas griffiger und direkter.
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Prophecy Productions: https://en.prophecy.de/en/Artists/Farsot/