Interview mit Imha Tarikat (Oktober 2022)

Da es für mich in den warmen Tagen wenig wirklich gute Releases im Bereich des Black Metal gab, wurde es Zeit, dass mich jemand mal wieder am Kragen packt, einen Stuhl nach mir wirft und mir lautstark klarmacht: “Die Sommerpause ist jetzt vorbei”. Mit der Veröffentlichung der neuen Single von Imha Tarikat “Radical Rigtheousness”, war ich wieder wach sowie Feuer und (Schwarze) Flamme für das neue Album. Es war Zeit für mich, die älteren Werke nochmal durchzuhören und nachzufragen.

Viator:
Kannst du uns eventuell die Anfangszeit der Band etwas näher bringen? Wie kam es zur Gründung 
und was war deine Intention, die du der Zuhörerschaft vermitteln wolltest? Warum sollte das 
Sprachrohr hierbei Black Metal sein? 
Kerem:
Hallo Viator, zuerst möchte ich mich bei Dir für das Interview bedanken.
Die ersten Schritte von Imha Tarikat gingen um Ende 2014/Anfang 2015 los. Damals war ich noch mit einem Kumpel an Ypokosmos, einem Black/Death-Metal Projekt, dran. Zu der Zeit befand ich mich mental in keiner guten Verfassung. Ich war schwer depressiv und damit einhergehend, demotiviert und instabil. Ich habe oft versucht, den Kampf zu starten, gelegentlich, sowie mit Ypokosmos, waren Schritte der Entwicklung und Besserung zu sehen, doch fand ich mich oftmals am Ausgangspunkt wieder. Nichts, das ich machte, half mir so richtig klarzukommen oder motivierte mich dazu, das Lebensfeuer am Brennen zu halten. Imha Tarikat zu starten, etwas, worin ich meine, zu der Zeit noch 
kryptischen Gedanken und Gefühle entfalten lassen konnte, war meine letzte Bastion mich von dem Abgrund abzuwenden, den ich lange versuchte zu verlassen. Entwickelt hat sich das ganze letztendlich daraus, dass ich begann meine ersten eigenen Schritte als Musiker zu machen. Ich habe mich mit Aufnahmemöglichkeiten und Equipment auseinandergesetzt und habe mit meinem limitierten Budget und der knappen, bisher gesammelten Erfahrung versucht 
alles auszureizen, was möglich war. Und der Rest war dann eher antiklimaktisch, haha; Online suchte ich dann nach einem Sessiondrummer, mit dem ich die erste EP ‚Kenoboros‘ dann fertigstellte.Black Metal als Fundament des Schaffens auszuwählen, war eine recht natürliche Fügung. Zu der Zeit 
hörte ich nichts anderes als Black Metal, Black/Thrash Metal und Black/Death Metal, täglich stundenlang - auf der Suche nach neuen Releases und Bands im Underground. Der dunkle und obskure Ausdruck in der Musik hat mich seit dem ersten Tag gefesselt. Ich weiß noch, wie mir gefühlt die Kinnlade runterfiel, als ich zum ersten Mal Necromansy von Bathory hörte. Und der Rest ist 
Geschichte!
Viator:
Ich habe Imha Tarikat immer als Solo-Projekt verstanden, bei dem du dir Musiker für Live-Auftritte und die Aufnahmen hinzu holst. Wie gestaltet sich der kreative Prozess? Schreibst du dennoch alle Songs alleine oder tragen hierbei auch noch andere Leute ihren Teil dazu bei? 
Kerem:
Imha Tarikat unterteilt sich in zwei Funktionalitäten und damit auch die Proportion der Leistungsträger. Im ersten Teil, dem kreativen Prozess, ist der größte Teil aus meinem Schaffen abzuleiten. Hierbei lege ich immer eine fertige Songstruktur zugrunde (Gitarren und Drums), deren Feinheiten man dann
zu einem Song ausarbeitet. Ich habe sehr klare Visionen darüber wie ein Song zu klingen hat, bin dominant in der Bestimmung darüber, was adäquat für Imha Tarikat ist, dennoch ist es mir wichtig die kreative Persönlichkeit der Teilnehmer einfließen lassen zu können. Oftmals sind wir da aber auch
sehr schnell auf einem Nenner. Melvin, welcher als Schlagzeuger neben mir gegenwärtig der alleinige weitere Teilnehmer im späteren Teil des kreativen Prozesses ist, ist ein außerordentlicher Musiker mit bemerkenswerter Kompetenz darin, Ideen umzusetzen und mit seinem Spielstil auszureizen. Da 
die Texte sehr persönlich sind, arbeite ich an diesen ausnahmslos alleine.
Was die Performance angeht, so ist jeder der an diesen teilnimmt, essenzieller Träger. Das gegenwärtige Live Line-Up besteht aus meinen Freunden Melvin an den Drums, Marvin an der Gitarre, Ricardo am Bass und mir an der Lead-Gitarre und den Vocals. Ich vertraue jedem einzelnen 
vollkommen darin, dass er alles gibt. Wir arbeiten die Songs für die Shows gemeinsam durch, lassen uns kleine Dinge einfallen, lachen zusammen und rasten dann auf der Bühne gemeinsam aus. Die ​Freundschaft, die uns verbindet, ist eine sehr starke und ich hoffe, dass ich dieser immer gerecht werden kann.
Viator:
Das Projekt vertont seit der ersten EP eine unglaublich animalische Wut und Energie. Woher kommt diese Energie in dir und wie schaffst du es, dies in einen Song/Album zu packen? 
Kerem:
Es ist ein Prinzip, das sich fundiert hat: berstende Leidenschaft bis zum letzten Atemzug. Lange war die Quelle der Energie die Unklarheit darüber selbst. In dieser Zeit ging es auch viel darum, diese Kraft aufzuwenden, um mich zu fühlen und zu verstehen. All die Trägheit und Dunkelheit 
loszuwerden. Doch schnell ging damit einher, dass je mehr Klarheit über die eigene Unstimmigkeit, dem Fehlverhalten und die Probleme aufkam, dementsprechend auch mehr Leid und Konflikt als Teil der Bewältigung entstanden. Und am Status Quo ist das 100% zu geben das, was mich ausgleicht und mir hilft, Ruhe zu finden.
Viator:
Ein markantes Identifikationsmerkmal deines Projektes ist der brüllende Gesang, der dem ohnehin schon aggressiven Songs die Krone aufsetzt. Wie kommt es, dass wir hier kein typisches, eiskaltes Gekeife zu hören bekommen?
Kerem:
Die Vocalrecordings bestehen aus vielen, VIELEN Takes. Sie sind eine Reflexion des absoluten Abgrunds in mir. Sie treiben mich in den Wahnsinn, zerbrechen mich und jedes Mal fühlt es sich so an, als würde ich ein Stück meines Lebens aufgeben in ihrer schieren Intensität, damit sie sich richtig 
anfühlen. Ich probiere immer viel und lang, bis ich gepackt von den Emotionen bin, wild und rücksichtslos. Bei den letzten Vocalaufnahmen, für die ich größtenteils 14 Tage alleine verbracht habe, ging es schon so weit, dass ich Wahnvorstellungen hatte. Aus dem Augenwinkel hatte ich das Gefühl, von mir selbst in Reflektionen beobachtet zu werden. Etwas sprach aus mir zu mir und 
versuchte mich zu überzeugen, dass ich mir nach den Aufnahmen das Leben nehmen muss. Es ist ein grenzwertiger Prozess, doch alles andere kann ich nicht akzeptieren. Und am Ende klingt es dann einfach so, wie es klingt.
Viator:
Über deine Diskographie hinweg wird eine starke Entwicklung deutlich. Du schaffst es nach den roheren Anfängen die Wucht der Songs etwas mehr zu ordnen und sie etwas stilvoller einzubetten.Wie schaffst du es, die Kraft zu strukturieren und sie nicht in ungeordnetes Chaos laufen zu lassen? 
Kerem:
Nun, ich würde sagen, dass es hierbei daran liegt, dass ich mich als Mensch weiterentwickele und reife, und auch hoffe, niemals damit aufzuhören. Imha Tarikat startete ich mit 18, zuvor machte ich auch noch nicht lange Musik, jetzt bin ich 26. Ich lerne jeden Tag viel dazu, über mich selbst, über das
Musizieren und über unsere Welt. Und ich liebe es! 
Viator:
Bis auf das letzte Full-length “Sternenberster” sind alle Songs in englischer Sprache vertont worden. Jetzt scheinst du laut der ersten Singlauskopplung des neuen Albums wieder von deutsch auf englisch zu wechseln. Welche besondere Rolle nahm “Sternenberster” ein, dass du hier deutsche Texte verwendet hast? 
Kerem:
Ich experimentiere sehr gerne und entscheide mich auch recht schnell dazu, Dinge einfach mal zu probieren und daraus eine umsetzbare Idee zu machen. Manchmal schrieb ich Texte in Deutsch und übersetzte sie dann im Nachhinein sinngemäß. Die deutsche Sprache wird nicht umsonst die Sprache der Dichter und Denker genannt. Die weite Möglichkeit eine Sache auf vielen Wegen auszudrücken und diese anhand der ausgewählten Wörter mit einer expliziten Atmosphäre zu konnotieren ist einzigartig, für mein Vorhaben diente sie dementsprechend perfekt und deshalb blieb ich während ​Sternenberster dabei. Viel des lyrischen Inhalts ist eine Wiedergabe meiner Gefühle, Erlebnisse und 
Meinungen. Sie können kryptisch erscheinen, doch weiß ich, wofür sie stehen - zumindest noch so lange, bis mich die Zeit übermannt. Und ist am Ende des Tages der Raum für Interpretationen, den ich dadurch versuche einzuhalten, unabdingbar für das Kunstschaffen.
Viator:
Kannst du uns das neue Album eventuell etwas näher bringen? Womit wird sich der Hörer diesmal inhaltlich beschäftigen? Wie sahen die Themen in den Vorgängern aus? Musikalisch scheinst du deine Linie ja konsequent weiter zu führen. 
Kerem:
‚Hearts Unchained – At War With A Passionless World‘. Ein Albumname, welcher für das, was es beinhaltet, emporragt. Im Sinne der bisherigen Veröffentlichungen kommen wir bei Hearts Unchained zu einem Meilenstein in der Entwicklung der Musik und der Geschehnisse in dieser. Kenoboros war das erste Anreißen daran, einen Weg des Ausdrucks, Denkens und Fühlens zu 
ermitteln. Hier war noch ein großer Teil die Um- und Beschreibung der Außenwelt und wie sie auf einen wirkt. In Kara Ihlas wiederum war der Fokus auf das innere und vorhandene gesetzt und dem Aufwand der Ermittlung und Entzifferung der Negativität und Probleme. Sternenberster war die 
große Konfrontation und der Einstieg in den ersten gewaltigen inneren Konflikt und der Schritt dahin,diesen zu überkommen. Die Sternenberster-Phase war eine sehr anstrengende, auflösende, brutale und Verstand-nehmende. Sie ist komplette Zerstreuung und Zerstörung in Kontrast zu dem Sieg und 
der aufgebauten Souveränität – und Hearts Unchained ist die Kontinuation, der Weg dahin, eine neue Fülle zu schaffen und sich voll zu manifestieren. Mit dem ersten Song des neuen Albums, ‚Radical Righteousness‘, wird das Thema von Sternenberster noch einmal aufgegriffen und die folgenden Songs, welche nicht weniger von Dilemma und überwältigenden Gefühlen erzählen, führen dann zur neuen Stärke.
Viator:
Wird es zu dem neuen Album demnächst auch eine Tour geben, bei der wir uns das ganze auch in Präsenz anhören können?
Kerem:
Wir werden kontinuierlich eine Menge an Shows spielen, wann und ob wir dann mal eine Tour machen, die ganz großen Bühnen bestreiten dürfen – Mal sehen, ob wir es hinkriegen! Wir sind auf jeden Fall über dem träumerischen Wünschen darüber hinaus auch konstruktiv dran, das zu schaffen.
Links zu Imha Tarikat:
Facebook:              https://www.facebook.com/imhatarikat/
Instagram:             https://www.instagram.com/imhatarikat/
Bandcamp:              https://imhatarikat.bandcamp.com/
BigCartel:             https://imhatarikat.bigcartel.com/
Prophecy Productions:  https://de.prophecy.de/Artists/Imha-Tarikat/
Musikvideo zu “Radical Righteousness” vom neuen Album “Hearts Unchained – At War With A Passionless World” (Release 02.12.2022)
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Author: Viator
ehem. Autor bei Schwarze Flamme