Als ich das letzte Mal mein wunderschönes Immortal Box Set aus dem Regal genommen habe, um bei 40 Grad wenigstens ein bisschen Kälte im Raum zu spüren, ist mir mal wieder aufgefallen, wie schön dieses Ding doch geworden ist. Dann schaute ich mich weiter im Regal um und entdeckte Releases von “YounA”, “Celtic Frost”, “Mortiis”, “Ragnarok” usw… Ich stellte mir die Frage, wer sich die Designs und das Layout überhaupt ausdenkt. Nach einiger Recherche merkte ich, dass die Antwort gleich bei mir um die Ecke in Leipzig bei “Salowe Vision” liegt.



Viator:
Wie bist du auf die Idee gekommen als “Salowe Vision” zu arbeiten und kannst du mir ein wenig näher bringen, was du hierbei genau machst?
Lisa:
Salowe Vision ist eher aus der Not heraus entstanden – vor ziemlich genau fünf Jahren. Ich hab bis 2017 in verschiedenen Designagenturen gearbeitet, die letzte davon ging insolvent und ich stand von heute auf morgen ohne Kohle und – vor allem – ohne Plan da. Übers Selbstständigmachen hatte ich davor schon immer mal nachgedacht, deswegen war das dann eigentlich auch der perfekte Moment, um ins kalte Wasser zu springen. Meine Hauptaufgaben sehe ich seit jeher im Design und Layout, ich fotografiere aber auch
regelmäßig, zeichne, male und bastle an Collagen.
Viator:
Wie gestaltete sich die Anfangszeit und wie bist du an den ersten Auftrag
rangekommen?
Lisa:
Die Anfangszeit lief überraschend gut, aber ich hatte auch schon genügend Kontakte durch Konzerte, Freunde und “Blood Division” – das war so ‘ne Spielerei neben meinem Job damals. Zusammen mit einem guten Freund hab ich unter diesem Namen hauptsächlich Patches gemacht, aber auch Plattenlayouts, Flyer- und Shirtdesigns. An den ersten Auftrag für Salowe Vision kann ich mich leider gar nicht mehr erinnern, aber höchstwahrscheinlich war’s was für ‘ne befreundete Band oder für das Time and Dust Music Studio.
Viator:
Du arbeitest vor allem viel mit “Darkness Shall Rise” und “Into Endless Chaos
Records” zusammen. Wie kommt es, dass du viel im Extrem Metal Bereich machst?
Bist du auch gegenüber anderen Aufträgen offen oder hängt hier viel von deinen eigenen Präferenzen ab?
Lisa:
Ich denke, es ist sehr naheliegend, in dem Bereich zu arbeiten, in welchem man sich zuhause fühlt und mit dem man sich vor allem auch irgendwie identifizieren kann. Also wenn man die Freiheit dazu hat – die hab ich und nehm ich mir auch. TP von Into Endless Chaos Records kenne ich mein halbes Leben lang und wir sind beste Freunde, allein deswegen ist das Label für mich schon unfassbar wichtig und eine Zusammenarbeit entwickelte sich ganz natürlich. Mit Darkness Shall Rise Productions arbeite ich seit 2018
zusammen – Birger von Harvest of Eyes hat uns damals zusammengebracht, als die erste größere Tape-Box in der Mache war und noch Hilfe benötigt wurde. Seitdem arbeiten wir wirklich regelmäßig an den verschiedensten Projekten zusammen, was ich auf vielen Ebenen sehr bereichernd finde.
Ganz zu Anfang hatte ich auch mal “normale” Kunden, die überhaupt nichts mit Metal oder gar Musik an sich zu tun hatten. Davon hab ich mich über die Jahre aber glücklicherweise trennen können. Nicht, weil ich mich damit schwer tue oder die Arbeit nicht mag, im Gegenteil, aber Musik und Musikkultur waren schon immer ein Mittelpunkt in meinem Leben und die sollen sich wenn möglich auch in der Arbeit wiederfinden. Heißt aber nicht, dass ich da gänzlich abgeneigt bin – letztendlich kommt es halt immer individuell auf den
Job drauf an. Seit zwei Jahren arbeite ich nebenbei auch für AISA Music, By Norse Music sowie Schubert Music Publishing. Grafikarbeit steht bei allen dreien nicht primär im Fokus, sondern eher organisatorische Aufgaben. Die Arbeit für Schubert hat am wenigsten mit meiner musikalischen “comfort zone” zu tun, dennoch genieße ich die Abwechslung.



Viator:
Da du wie ich auch aus Leipzig kommst, interessiert mich deine Meinung zur
Leipziger Musiklandschaft, vor allem hier thematisch passend im Black Metal
(YounA, Evil Warriors usw.). Gefällt dir diese und was macht sie so besonders?
Lisa:
Um ehrlich zu sein, hab ich mit der Leipziger (Black Metal) Szene fernab von Into Endless Chaos nichts am Hut und mag das auch nicht kommentieren. Evil Warriors und Bloody Vengeance waren damals meine allerersten Berührungspunkte in puncto Black Metal aus Leipzig, beide Bands hab ich unzählige Male live gesehen, unterwegs begleitet und uns verbindet alle eine tiefe Freundschaft. Mit YounA genau das Gleiche – seit “Urgewalt”, also dem ersten Demo, arbeiten wir ziemlich eng zusammen an diesem Projekt und haben uns da unseren eigenen Kosmos erschaffen. Der IEC-Dunstkreis wurde in den letzten Jahren schon so oft öffentlich diskutiert und ausgewertet, und da mich mit allen involvierten
Personen sehr viel mehr verbindet als die bloße Musik, fällt es mir etwas schwer, diese ganz unvoreingenommen und neutral zu bewerten. Ich freu mich auf jeden Fall immer, von anderen über die “wahnsinnigen Leipziger” zu lesen, denn die Berechtigung warum besonders Into Endless Chaos so raussticht ist einfach nicht von der Hand zu weisen. Les Légions Noir, Korpsånd, Hønefoss Militsen oder Ross Bay Cult – auf irgendeinem Herd brodelt der Kessel halt immer etwas gewaltiger als auf dem anderen, und so ist das eben auch mit der Leipziger Musiklandschaft und Into Endless Chaos.
Viator:
Sammelst du eigentlich selbst auch Tonträger oder macht dir hierbei eher nur die Arbeit drum herum Spaß?
Lisa:
Nur Spaß an der Arbeit daran zu haben wäre wohl wesentlich schonender für Nerven und Geldbeutel, aber für mich undenkbar. Es vergeht kein Monat, in dem ich nicht mindestens zwei, drei Platten oder ein paar Tapes kaufe. Meist ist’s aber doch etwas mehr, da kenn ich manchmal wirklich keine Grenzen. Meine Sammlung umfasst mittlerweile um die 1000 Tonträger, wovon tagtäglich auch was abgespielt wird. Physische Tonträger waren schon in der Kindheit mein liebstes Spielzeug und den ersten Tapekoffer hab ich mit zwei oder
drei Jahren bekommen – Metal Tapes waren da aber damals noch nicht drin, haha.
Viator:
Was mich natürlich am meisten interessiert ist die Arbeit an den Boxsets von
“Darkness Shall Rise”. Wie gestaltete sich hier vor allem die Arbeit an der riesigen “Dissection” Box mit 19 (!!!) Tapes? Kannst du uns hier ein wenig in den Prozess einweihen, welche Schritte getan wurden und welchen Zeitraum dies einnahm?
Lisa:
Ugh ja, die Dissection Box war ein übelster Kracher und mit Abstand eines der
aufwändigsten Projekte, an denen ich bisher gearbeitet habe. Keine Ahnung, wann Denny von DSR zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt hat, so ein massives Ding zu releasen, aber so richtig los ging es damit schon 2019. Da hat er sich zum Jahresende mit dem Rest der Band in Stockholm getroffen, um alles zu besprechen, ein paar Monate später ging dann auch direkt die Arbeit für mich los. Meistens fange ich mit den Tapes und deren Einleger an: Falls es noch originales Artwork oder digitale Files von (Re-)Releases gibt, dann werden die zu mir geschickt und ich scanne und/oder checke alles auf Brauchbarkeit. Für so Box-Sets ist’s natürlich geil, alles so nahe wie möglich an der originalen Veröffentlichung zu halten. Das gestaltet sich
manchmal schwierig – einfach, weil davon nichts mehr aufzufinden ist oder die Qualität bzw. der Zustand miserabel sind. Bei Dissection war’s kein Problem und ich konnte innerhalb von ein oder zwei Monaten alle 19 Tape-Layouts fertig stellen. Danach kommt meist die Box an sich, dann das Merchandise, dann der Flyer und zum Schluss das Buch. Letzteres ist auch immer eines der aufwändigsten Teile so einer Box. Mittlerweile sind’s ja auch wirklich einfach richtige Hardcover-Bücher, und keine Booklets mehr, so wie noch bei
Enslaved oder Thergothon. Im Juni 2021 haben wir das letzte Teil der Dissection-Box in Produktion gegeben und mein Part war somit durch. Für Denny und sein Team kam dann natürlich noch das Bestücken und Versenden der 1500 Boxen dazu… irre. Für kleinere Boxen brauchen wir meist nicht länger als ein halbes oder dreiviertel Jahr, aber da spielen auch sehr viele Faktoren mit rein: Haben die Künstler, mit denen wir arbeiten, bestimmte Vorstellungen oder wird uns freie Hand gegeben? Welches Ausgangsmaterial gibt es? Was soll überhaupt alles rein? Und dann halt noch persönliche Zeitpläne, meine Auftragslage, die Kommunikation untereinander, Verfügbarkeiten der
Druckereien und so weiter.
Viator:
Momentan bist du meines Wissens nach an dem “Manes”-Boxset dran, welches zu
100 % den Weg in meine Sammlung finden muss. Bei welchen Arbeitsschritten bist du im Moment und kannst du uns schon ein mögliches Releasedatum über "DSR" nennen?
Lisa:
Die Arbeit an der Manes-Box ist seit einer Weile durch, momentan fehlt lediglich noch das Booklet. Da wir eh bloß die legendäre Ära von 1993 bis 1999 mitnehmen, ist das Buch wahrscheinlich aber schnell gemacht – viel Material ist da leider nicht (mehr) aufzutreiben, wirklich sehr schade. Released wird das ganze recht zeitnah im Herbst, wann genau, darf
ich noch nicht verraten. Auf die Box freue ich mich aber auch ganz besonders. Allein schon wegen der dazugehörigen Extras und, um eben endlich die drei ersten Demos physisch besitzen zu können.
Viator:
Wie können evtl. Labels, Künstler und Veranstalter auf dich zukommen und mit dir zusammen arbeiten? Was müssen diese mitbringen, dass du Sie unterstützt?
Lisa:
Prinzipiell kann mich erstmal jeder anschreiben, mir seine Ideen oder Pläne mitteilen und mich dann fragen, ob ich Bock auf eine Zusammenarbeit hätte. Was ich ignoriere, sind Mails á la “can you make me a layout how much it would cost thank you very much”, da hab ich einfach keinen Nerv für. Was also mitgebracht werden muss, ist ‘ne anständige Kommunikation und das Wissen, dass ein Layout nun mal nicht gleich ein Layout ist, wozu ich dir ohne jegliches Vorwissen irgendeinen random Preis nennen kann. Das verstehen
tatsächlich viele Leute nicht. Viele andere Ausschlusskriterien gibt es eigentlich nicht, jedoch würde ich nicht mit Bands und Labels zusammenarbeiten, deren Musik und Schaffen ich beschissen finde.
Viator:
Auf welche deiner Arbeiten bist du rückblickend besonders stolz?
Lisa:
Da was Bestimmtes herauszupicken fällt mir irgendwie schwer, denn insgesamt bin ich mittlerweile einfach auf mich und meine Arbeit stolz… so pathetisch das auch klingen mag. Seit meiner Kindheit hab ich mir immer gewünscht, dass Musik mal mein Lebensmittelpunkt wird, mit allem, was dazu gehört: Musik hören, Musik machen, mehr und mehr Musik entdecken und halt mit Musik arbeiten. Das kommt immer mehr zusammen, und ich kann einfach arbeiten, mit wem ich will, wann ich will, von wo ich will. Davon ab macht’s mich aber eigentlich auch sehr glücklich, wenn ich für Bands arbeiten kann, die meinen musikalischen Werdegang stark geprägt haben – Immortal wäre da so
ein Beispiel. Das Box-Set für die machen zu dürfen, fand ich mega und es fühlte sich teils fast schon wie ‘ne kleine persönliche Zeitreise an: stell dir vor, du bist 12 Jahre alt und hängst in der kompletten Einöde fest, stolperst eines Tages über einen Ausschnitt des “Call Of The Wintermoon”-Videos und zack – eine riesige, neue Welt tut sich auf… und 17 Jahre später arbeitest du quasi für die Band, mit der alles begonnen hat. Gutes Gefühl!
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